Mit Karl Marx kannst du dir auch nichts kaufen
Laura Schawelka
FILIALE, Frankfurt
01–03–2019
by Damla Arican

Laura Schawelka, Untitled (Saratoga Quarter), 2015. Courtesy: the artist and FILIALE, Frankfurt; photograph: Wolfgang Günzel

Als ich die Galerie Filiale in ihren neuen Räumlichkeiten in der Stiftstraße 14 aufsuche, fällt sie mir zuerst durch ihre große Fensterfront auf. Sie hat zunächst den Anschein eines weiteren Ladenlokals, das sich neben die vielen anderen Filialen der Innenstadt reiht. Beim Betreten blicke ich auf eine Theke mit einer eleganten, grünen Vase in der rote Anthurien blühen. Sie heißt die Besucherinnen willkommen und scheint zugleich, perfekt auf Laura Schawelkas Ausstellung A clumsy if furtive hand abgestimmt zu sein. Neben dem Tresen finden sich großformatige Fotografien von grünen Vorhängen, rote Granatapfelkerne und Äpfel springen mir im Hochglanzformat entgegen und ich denke gleich an die Vantitas Stilleben aus dem Barock. Dieses Motiv zieht sich auch durch weitere Arbeiten Schawelkas. In der Videoarbeit Untitled (Apples and Coins)*, das auf großformatigen Abbildungen von Vorhängen montiert ist, sieht man, wie ein Apfel durch unterschiedliche, unterlegte Abbildungen, die meist Hände die Münzen tragen zeigen, geformt wird.
Ich gehe wieder weiter nach vorne. Neben dem Tresen rechts ist die Arbeit Untitled (Vitrine 5) an der Wand angebracht, eine Installation aus einem für Werbeplakate üblichen Glaskasten, eine Mascara Werbung von Chanel, daneben einen Schweizer Franken-Schein, der mit Händen geziert ist. Ein weiterer, der 0-Euro Schein, der von der Stadt Trier entworfen wurde und zum 200-jährigen Marx-Jubiläum durch sein Gesicht geschmückt wird, ist ebenfalls daneben gehängt. Dies scheint ein bewusster Kontrastzu sein, den Schawelka setzt. Während sie sich die Strategien der kapitalistischen Unternehmen aneignet, zeigt sie ebenfalls Kapitalismuskritiker wie Marx und antike Statuen, die keine Arme mehr tragen. Knallige Farben und erotisiernde Früchte wecken alle Gefühle in der/dem Betrachter*in, die zum Konsum anregen sollen. Diese kleinen Hints, wie der Karl Marx Schein, lassen den kritischen Blick der Künstlerin zum Vorschein kommen. Es gibt keinen Ausstieg aus dem Konsumkapitalismus.

Laura Schawelka, Untitled (Curtain 2), 2018, Untitled (Curtain 3), 2018, Untitled (Apples and Coins), 2019. Courtesy: the artist and FILIALE, Frankfurt; photograph: Wolfgang Günzel

Schon seit einigen Jahren beschäftigt sich Schawelka mit der Zirkulation von Waren. 2017 widmete sie sich im Rahmen einer Artist Residency in Paris dem Aufkommen der ersten Warenhäuser im 19. Jahrhundert. Das Kaufhaus fungierte als erster Ort der Autonomie für Frauen aus wohlhabenden Kreisen. Die Warenhäuser, die eine Vielfalt an unterschiedlichen Produkten anboten, sollten den bisher vorherrschenden Einzelhandel ablösen und zu einem neuen, effizienteren Kauferlebnis beitragen. Ein besonderes Phänomen, das in den Fotografien ebenfalls zum Gegenstand wird und mit dem sich Schawelka beschäftigt, ist die Lust zum Diebstahl. Dies kommt besonderes in ihrer Arbeit Untitled (Wall Grid 12) zum Vorschein. Die Hände lauern auf der Garderobe, als seien sie schon zur Untat bereit. Die Kleptomanie wurde damals nicht als Straftat gehandelt, sondern mehr als ein Krankheitsbild verstanden. Die Kund*innen sprachen von Verführung. So wurde die Hand als fast entfremdeter Körperteil behandelt und für schuldig erklärt. Die gewonnene Freiheit der Frau schien dadurch wieder verloren. Der Selbstbestimmung trat eine Entfremdung entgegen, die die Frau wieder als unautonom darstellte. Auch die Hände in bei Schawelka wirken wie selbständige, abstrakte Objekte.
1884 veröffentlichte Emil Zola mit Paradies der Damen (franz. Au Bonheur des Dames) einen Roman, der diesen Konsum genauer unter die Lupe nahm. Für den Roman betrieb Zola umfangreiche Studien zu dem auch ein Manuskript mit Interviews mit Verkäuferinnen, Geschäftsführerinnen sowie Kund*innen, entstand. Der Fokus liegt auf der Protagonistin Denise, die aus dem Vorort nach Paris kommt, um im Kaufhaus als Verkäuferin zu arbeiten. Zola fängt in seinem Roman ein, wie das Aufkommen der Warenhäuser den Einzelhandel, aus den Pariser Stadtteilen vertrieben hat. Das kapitalistische Zeitalter hatte begonnen, das Kauferlebnis wurde perfektioniert. Feinst kuratierte Kleidung, Kosmetik und besonders Schaufenster sollten das Einkaufen zu einem Hobby für

Laura Schawelka, Untitled (Wall Grid 12), 2018. Courtesy: the artist and FILIALE, Frankfurt; photograph: Wolfgang Günzel

Laura Schawelka, Untitled (A clumsy if furtive hand), 2018, Untitled (When I can grab some silk), 2018, Untitled (Pomegranate), 2018. Courtesy: the artist and FILIALE, Frankfurt; photograph: Wolfgang Günzel

Heute ist das Kaufhaus passé und stattdessen fungieren Online-Shops wie Zalando als etablierte Form des Einkaufens. Auch hier ist alles auf die Konsumentin zugeschnitten, inzwischen gibt es sogar online Stilberatungen. Virtuelle Zahlungsmöglichkeiten wie PayPal und Online Banking oder auch die Plastik-Kreditkarte haben das Gefühl für jegliche Haptik der Währung abgelöst. Das Gefühl für das konsumierbare Material fängt Schawelka in Fotografien, die Hände und Münzen zeigen, wieder ein. In einem Displaykasten (Untitled (Vitrine 4), 2018) werden in einem Ausdruck von einem Onlineshop, Hände gezeigt, die die Relation zum gekauften Objekt beschreiben sollen. Von führenden Online-Märkten wie Amazon kennt man schon, dass die Produktbeschreibung auch immer Maße und Relation zur Hand aufzeigen. Fun-Fact: Das Rückgabe- und Widerrufsrecht das einem durch das Onlineshopping zusteht, hängt damit zusammen, dass man die Ware beim Kauf im Internet nicht berühren kann. Es ist gesettlich bestimmt worden, dass erst durch das Anfassen der/die Käufer*in, die Qualität der Ware bestimmen kann. Die gesellschaftliche Dimension der Hand ist in das Gesetz übergegangen.
Im Hinterzimmer der Galerie befindet sich eine kleine Küchenzeile, die einen Kontrast zu dem cleanen, glänzenden Vorderraum bildet und das Gefühl erweckt, in einen Privatraum einzudringen. Das wird auch durch die Arbeit Untitled (Wall Grid 12) unterstreicht, einer Garderobe aus Metallgittern, an welcher anstelle von Kleidung zwei filigrane Damenhände in schwarz und weiß auf ihr abgelegt sind, sodass der scheinbare Alltagsgegenstand sich zur Installation erhebt. Kleine schmale Hände, „ungeschickte, aber verstohlene Hände“ – wie es im Ausstellungstitels bereits heißt – tauchen immer wieder in der Ausstellung auf – sei es in Form von Währungen (Untitled (Saratoga Quarter 2015)) oder in Texten (Untitled (A clumsy if furtive hand), 2018, Untitled (When I can grab some silk), 2018). Die Hand ist das tragende Element, das sich durch die Werke der Künstlerin zieht. Doch was hat es mit ihr auf sich? Die Hand fühlt, berührt, schreibt, greift, hält, isst und ist Werkzeug zugleich. Die Hand symbolisiert das Haptische, das den Arbeiten von Schawelka eine gewisse Emotionalität verleiht.

Laura Schawelka, Untitled (Wall Grid 12), 2018. Courtesy: the artist and FILIALE, Frankfurt; photograph: Wolfgang Günzel

Ein weiteres Charakteristikum von Schawelkas Arbeiten ist das Werbedisplay. Auf diesem präsentiert sie (Untitled (Vitrine 4), 2018, Untitled (Vitrine 5), 2018). Auch Galerie- und Ausstellungsraum werden zum Präsentationsfläche von Waren. Schawelka instrumentalisiert Marketingstrategien von Unternehmen und Geschäften. Ihre Werke avancieren dadurch zum Produkt. Offensichtlichkeit und Subtilität vermischen sich hier in unterschiedlichsten Formen. Design, Kunst und Fotografie gehen ineinander über. So könnten sie in einem Internetshop oder auch auf einem Werbeplakat zu sehen sein und würden nicht als Kunstobjekte auffallen.
Die Ästhetik, derer Schwalke sich für ihre Fotografien bedient ist clean, perfektioniert und lässt sich kaum von gewöhnlicher Stock-Fotografie unterscheiden, gäbe es da nicht die Brüche, die mit dem Raum einhergehen und etwas Fragiles, Zerbrechliches und auch Erotisches erzeugen. Flüssigkeiten stoßen aus den Früchten, Hände sind schmal, gepflegt und die Fingernägel rot lackiert. Der Ausstellungsraum der Galerie Filiale macht seinem Namen alle Ehre, indem selbst die Ausstellung die Kommerzialität ihrer selbst reflektiert. Und das titelgebende Werk der Ausstellung ist auch schon verkauft und hat das Schaufenster verlassen.

Laura Schawelka, 'A clumsy if furtive hand, 2019, exhibition view, FILIALE, Frankfurt. Courtesy: the artist and FILIALE, Frankfurt; photograph: Wolfgang Günzel

Laura Schawelka – A clumsy if furtive hand
19. Januar – 2. März 2019
FILIALE
Stiftstraße 14
60313 Frankfurt am Main