Die Bestien der Großstadt
Jonathan Penca
Loggia, München
14–01–2020
by Franziska Linhardt

Jonathan Penca, Solid Kat striding, 2019, detail, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Wenn das gleißende, „italienisch“ anmutende Licht durch die weit angelegten Straßen Münchens fällt, unterstreicht es die forcierte Aufgeräumtheit und den Glanz der Stadt und ihrer Kulisse. Filmisch ziehen dann die hochherrschaftlichen Bauten vorbei, die das Licht aufsaugen und die repräsentativen Karossen deren Oberflächen es spiegelnd zurückwerfen. In diesen Szenerien verirrt sich selten ein Monster, so scheint es. Doch es gibt sie, die stilisierte Großkatzen aus Stein, die sich vor Treppenabsätzen großer Architekturen und Denkmälern in Pose werfen oder mit erhobenen Klauen und weit aufgerissenem Rachen das bayerische Staatswappen zieren.

Jonathan Penca, Solid Kat striding, 2019, detail, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Jonathan Penca, 'Solid Kats', exhibition view, 2019, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Das katzische Wesen der Wappenkunde und der „Groß“-Stadt durchquert Jonathan Penca in seiner Ausstellung Solid Kats bei Loggia auf höchst referenzreiche Weise. Schreitende, stehende oder auf Sockeln thronende, teils zerstückelte Großkatzenformationen haben sich (über-)lebensgroß in dem Münchner Ausstellungsraum versammelt und versteckt. In ihrer kantigen Überspitzung und Mischform tricksen die Wesen und ihre Fragmente die ikonografischen Kategorien der Heraldik aus: Löwe, Leopard und Panther kreuzen sich mit dem Aggro-Futurismus des zeitgenössischen Automobildesigns. Dort ist jede Rundung eine Ecke, der sanft gezeichnete Wagen wird mehr und mehr von scharfen Kanten abgelöst, seine Aufmachung eine Imitation von Ausdrucksformen wilder Tiere: Scheinwerferschlitze mimen den „bösen Blick“, Zähne werden gefletscht und Heckhauben mit Krallen versehen. Auch die Solid Kats negieren organische Formen, auf jede konstruierte Ecke wird eine weitere Spitze gesetzt, die Körperhülle ist ein einziger Zusammenprall aus scheinbaren Erweiterungen, in die es zu schlüpfen gilt. Doch die technische Utopie ist hohl und billig, das vermeintliche Cyborg-Blech durchscheinend bestrichene Wellpappe. In Pencas Materialwahl ist die Hierarchie von „high“ und „low“ längst überwunden – der offensichtliche „Fake“ bleibt nicht nur intendiert, die Imitation wird überzeichnet und ausgestellt.

Jonathan Penca, Solid Kat ascending, 2019, installation view, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Jonathan Penca, Solid Kat ascending (detail), 2019, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Ob als skulpturale Objekte oder als Kostüme rekurrieren Solid Kat striding und Solid Kat ascending (beide 2019) auch auf die Filmgeschichte, die Sci Fi-Ästhetik der B-Movies aus den 1950er Jahren und deren augenscheinliche Künstlichkeit: Monstren wie Godzilla wurden durch Menschen in „Suitmation“ – sichtbaren Ganzkörperkostümen aus Gummi mit Augenschlitzen – gespielt, die durch körperhohe Nachbauten von Metropolen wüteten und die realen Größenverhältnisse von Stadt verwirrten. Doch trotz oder gerade wegen des Ausbleibens authentischer Fiktion fungiert Godzilla in seinem japanischen Ursprung 1954 als direktes Sinnbild des nuklearen Horrors und seiner Verarbeitung. Sein Aggressionsziel bleibt aktuell: Metropolen. Deren Zerstörung durch das Monster wurde bis heute in über 30 retro-futuristischen Sequels aufgegriffen und in die totale Libertinage getrieben.

Jonathan Penca, Solid Kat striding, 2019, detail, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Jonathan Penca, but still the come, 2019, installation view, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Die Externalisierung von Macht- und Dominanzbekundung durch aggressiv-opulentes Autodesign und die dem teils gefährlichen, teils melancholischen Monster der Godzillogie inhärente Stadtkritik eignet sich Jonathan Penca in Solid Kats an, übersteigert und queert sie. Eine Zunge aus drahtigem Gerüst hängt bis zum Boden hinab, ein Bestienkörperteil hat zusätzliche Beine entwickelt und ein anderes Monster kokettiert mit eindrucksvollen Krallen in sattem Rotorange. “It’s hard to imagine to fit in this thing, much less to move in it.. one would have to be liquid almost” heißt es im Pressetext zur Ausstellung. Die Objekte verweisen auf ihre Mischform, eine Rolle, die mit ihnen nicht nur spiel- und agierbar wird, sondern deren Trans-Formation sie verkörpern. Die Solid Kats haben sich zerteilt, um erweitert, neu zusammengefügt und performt zu werden. Die Bestien schlummern in den Alltagssituationen und sozio-kulturellen Realitäten der (süddeutschen) Stadt.

Jonathan Penca, but still the come (detail), 2019, Loggia, Munich. Courtesy: the artist and Deborah Schamoni, Munich

Jonathan Penca – Solid Kats
12. Dezember 2019 – 16. Januar 2020
Loggia
Gabelsbergerstraße 26
80333 München