Lampen-Kompositum
Lampenausstellung
DOOM SPA, Berlin
17–01–2024
by Marie-Sophie Dorsch

"Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



In einem Hochhausgebäude in unmittelbarer Nähe zum Berliner Wittenbergplatz, befindet sich DOOM SPA. Über die Terrasse im 13. Stock ist der Ausstellungsraum zugänglich. Von dort breitet sich das weitläufige Leuchten des Berliner Westens aus. Genauso illuminiert das Innere des kleinen Kubus die Umgebung.

DOOM SPA wird seit 2015 von der Künstlerin Roseline Rannoch betrieben, zuletzt wurde der Raum im Rahmen der Berlin Art Week mit dem Projektraumpreis des Berliner Senates ausgezeichnet. Rannoch beschreibt ihre Rolle im Gespräch weniger als die einer Kuratorin, sondern mehr als die einer Künstlerin, die Ausstellungen entwickelt. Kollektive Zusammenarbeit ist ihr hierbei wichtig und so kollaboriert sie häufig längerfristig mit anderen Künstler:innen oder Kurator:innen, wie zuletzt Littleton Odom.

Die aktuelle Ausstellung konzentriert sich auf ein Objekt: die Lampe. Der Titel „Lampenausstellung“ kommt unprätentiös daher. Einen erklärenden Ausstellungstext gibt es nicht - der Name spricht für sich. 17 Künstler:innen und Künstler:innenkollektive bespielen den Raum mit leuchtenden Körpern. Diese hängen, stehen, liegen und scheinen ein Eigenleben zu führen. Einige wirken fragil, andere wiederum sehr solide. Manche entsprechen einem formalen Minimalismus, während andere an fantastische Gestalten erinnern. 

"Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Im Zentrum des Raumes sind die großformatigen Skulpturen Finger (E.T.) II und III (beide 2020) aus Pappmaché von Niclas Riepshoff installiert, deren Spitzen wie Laternen leuchten. Der Künstler nimmt Bezug auf Spielbergs „E.T. – Der Außerirdische.“ Im Film drückt E.T. durch gestischen Einsatz seines Fingers nicht nur Sehnsucht nach seinem Heimatplaneten aus, sondern stellt auch eine Verbindung zum menschlichen Protagonisten Elliott her – die Fingerkuppe wird wortwörtlich zum interspezifischen Berührungspunkt. Gleichermaßen recken sich auch Riepshoffs Skulpturen wie ausgestreckte Finger vom Boden aus empor – als wären sie tastend auf der Suche nach einer Verbindung. Mit seinen Skulpturen setzt der Künstler taktile Kommunikation ins Bild. Worin liegt ihr Potential gegenüber verbaler Sprache? Inwieweit reichen die Möglichkeiten letzterer aus, um Empfindungen auszudrücken – und wo müssen und können neue Instrumente gefunden werden, um sich miteinander in Beziehung zu setzen? 

wkc, Bell Lamp, 2022, "Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Die kuratorischen Setzungen eröffnen eine Szenografie, in der zwischen einer Makro- und Mikroperspektive changiert werden muss. Auf einem Fensterbrett steht eine kleine Kugelhantel, die von wkc – einer Design-Kollaboration zwischen Romy Kießling und Ebba Fransén Waldhör – zweckentfremdet und einer neuen Aufgabe bedacht wurde. In Bell Lamp (2022) fließen Kunst und Design ineinander – die Arbeit liest sich als Befragung der vordeterminierten Nutzungskontexte von Lampe und Hantel. Eine kleine Leuchte hängt gleich einer stummen Glocke an einem Bogen, der mit der als Fuß dienenden Hantel verbunden ist. Ausgehend von der etymologischen Herkunft der englischen Vokabel für Hantel – dumbbell – zergliedern die Künstlerinnen das Wort in seine Bestandteile, um die verschiedenen Konnotationen wiederum skulptural zusammenzufügen.

Pentti Monkkonen, Gaslight, 2016, "Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Auch Pentti Monkkonens auf dem Boden stehende Miniatur-Replikat einer Berliner Gaslaterne, Gaslight (2016) lässt sich aufgrund ihrer Größe nicht auf Anhieb entdecken. Eine fortlaufende Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum und den ihn definierenden und verändernden Prozessen zeichnen Monkkonens’ Werk aus. Der Künstler lenkt die Aufmerksamkeit hier auf ein zunächst unscheinbares Element städtischer Infrastruktur – das aufgrund seines spezifischen Erscheinungsbildes gleichzeitig unverkennbar mit der Stadt Berlin verbunden ist; die Glaslaterne. Mit einer Halbkugel aus Porzellan nimmt Shira Lewis ebenfalls Bezug auf Begebenheiten im urbanen Terrain. Imperatives (2017) lässt an Straßenpoller denken, die Bewegungen im Stadtraum leiten und begrenzen. Im Ausstellungskontext wird diese Funktion nun umgedeutet: Blaues Licht dringt unter der Skulptur hervor und verleiht ihr eine überraschende Leichtigkeit. Sie wirkt nicht länger wie ein unverrückbares Hindernis, sondern schwebt viel mehr über dem Boden.

Peles Duo, mid-born (light), 2021/2023, "Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Einen spielerischen Umgang mit Materialen führen Peles Duo mit mid-born (light) (2021/2023) vor. Die körnige Struktur der Oberfläche des kleinen Tonobjektes erinnert an das Innere eines Granatapfels. Nach mythologischen Erzählungen soll Aphrodite den ersten Granatapfelbaum gepflanzt haben. Die Frucht ist hier aufgebrochen, ihr Inneres ausgeleuchtet und nach Außen gekehrt. Dies kann als ein Verweis auf die vielschichtigen kulturhistorischen Sedimente der Wahrnehmung und Darstellung der Göttin Aphrodite verstanden werden. Das Motiv der aufgebrochenen Frucht sowie die im Kern verankerte Glühbirne deuten die Möglichkeit an, in das Innere – hinter die Oberfläche von Bildern – zu blicken und kulturell bedingte Auffassungen von Weiblichkeit und Sexualität zu sezieren.

Designstudio Hulfe, Die Nonne und Das Kondom, 2023, "Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Das Designstudio Hulfe, gegründet von Daphne Ahlers und Lilli Thießen, lässt zwei Stehleuchten miteinander in Kontakt treten. In Textilien und Latex eingefasst, werden sie zu Protagonist:innen, namentlich Die Nonne und Das Kondom (beide 2023), einer sich zwischen ihnen entspinnenden Geschichte. Die verhüllenden, weich fallenden Materialien verleihen den Alltagsgegenständen eine erotisch aufgeladene Körperlichkeit. Unterstrichen wird dies besonders durch die Wahl der Werktitel. Die beiden Künstlerinnen setzen sprachliche Bilder ein, um bestimmte Vorstellungen zu evozieren, die zunächst nicht miteinander vereinbar scheinen. Die Nonne – stellvertretend für die Verkörperung einer keuschen Weiblichkeit – trifft auf das Kondom als ein Sinnbild sexueller Befreiung. Widersprüchliche Symbole werden mit einem Augenzwinkern von den Künstlerinnen in einem Paradox zusammengeführt – mit dem Ziel ein neues, sich emanzipierendes, Narrativ entstehen zu lassen. Wie auch im Werk von Peles Duo wird mit der Bestimmung von Lampen – als Lichtquelle zu dienen – gespielt, um humorvoll (überkommene) geschlechtliche Rollenzuordnungen im wahrsten Sinne des Worte zu durchleuchten.

"Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Innerhalb der Ausstellung lassen sich unterschiedliche Lichtzonen ausdifferenzieren, in denen kühles, warmes, künstliches oder natürliches Licht den jeweiligen Raumabschnitt dominieren. Hinter einem grauen Vorhang, der den Raum in zwei Teile gliedert, herrscht eine gedämpfte, fast sakrale Atmosphäre. Hier präsentiert Liz Craft mit Tetris III, IV und V (alle 2022) mehrere an die Wand montierte Keramikobjekte. Es handelt sich um geometrisch angeordnete Kacheln, aus denen kleine Pilze mit eingefassten Kerzen sprießen. Wie häufig in ihrer Praxis, entlehnt Craft ihr künstlerisches Vokabular der Popkultur – hier Tetris, einem Computerspiel aus den 80ern – sowie Fantasiewelten und Träumen.  Die auf den Kappen der (vielleicht psychedelischen) Pilze platzierten Kerzen werfen einen warmen Schein auf die glasierten Oberflächen der Fliesen und rufen romantisch-mystische Assoziationen wach. Das warme, flackernde Licht hat eine anziehende Wirkung, die durch den Bezug auf Tetris um eine weitere Bedeutungsebene verstärkt wird. Tetris, das im virtuellen Raum existierende Puzzle, als eine erweiterte Realität – in der man sich zwischen den kleinen quadratischen Bausteinen, verlieren kann. Die verschiedenen Kontexte werden als Referenzen aufgerufen und verdichten sich zu einer, von (vermeintlicher) Gegensätzlichkeit geformten Idee einer surrealen Welt.

Laura Franzmann, cryptidartace, 2018/22, Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Wo Licht ist, sind häufig Motten. Sinnbildlich angelockt von Roseline Rannochs bläulich leuchtender, metallischen Mottenlampe (2023) hat sich Laura Franzmanns Skulptur cryptidartace (2018/2022) in dem raumteilenden Vorhang versteckt. Franzmann arbeitet recherchebasiert und entwickelt ihre Arbeiten auf Basis theoretischer Fragestellungen. Der überlebensgroße Körper des Insektes, zusammengefügt aus grauen Stoffen, Fell sowie Samt, konfrontiert die Besucher:innen mit der Frage, wie sich der Mensch seiner Umwelt annähert. Aufgrund seiner Dimension sowie der schweren textilen Materialien besitzt das Insekt eine unerwartete Präsenz, die an dem asymmetrisch wahrgenommenen Kräfteverhältnis zwischen Natur und Mensch zu rütteln scheint – Der Mensch steht nicht länger im Zentrum, sondern die Arbeit schlägt eine Verschiebung der Perspektive vor.

Roseline Rannoch, Nachtlichter (Insomniac) 1-5, 2013-2014, "Lampenausstellung", Installationsansicht, DOOM SPA, Berlin, 2023. Foto: DOOM SPA/Agentur Westkreuz.



Am Boden leuchten unterhalb der Motte biomorphe Formen. Punktuell positioniert, muten die kleinen in Kunstharz gegossenen, von Farbpigmenten und anderen Werkstoffen durchsetzten Nachtlichter (Insomniac) 1-5 (2013/2014) von Roseline Rannoch wie Meereslebewesen an. Ihre organisch wirkenden Formen werden dabei von der Künstlerin mit der Künstlichkeit des verwendeten Materials kontrastiert. Sie erscheinen als kleine plastische Lichtzellen, in denen die Spuren ihres Herstellungsprozesses konserviert sind.

Die Ausstellung geht über eine bloße Auseinandersetzung mit dem Motiv des Lichtes oder der Lampe als Objekt – sei es als alltäglicher Nutzgegenstand oder Luxusgut – hinaus.  Stattdessen fungiert das übergeordnete Thema als Ausgangspunkt, von dem aus unterschiedliche assoziative Pfade verlaufen. Ein eklektischer Mix – in dem einige Arbeiten die Beschäftigung mit dem ästhetischen Erscheinungsbild oder funktionale Aspekte der Lampe in den Vordergrund stellen, während sie anderswo materiell eingesetzt wird, um sozio-politische, philosophische oder poetische Themenfelder zu ergründen. Abstraktion und Repräsentation treffen immer wieder aufeinander und fordern an vielen Stellen – nicht zuletzt aufgrund der facettenreichen inhaltlichen Ansätze – eine erhebliche Eigenleistung der Betrachtenden. Es gilt, die vielstimmigen Komponenten der Werke zu entschlüsseln und nicht Gefahr zu laufen, sie vorschnell unter dem richtungsweisenden Ausstellungstitel zu subsumieren. Gleichzeitig lässt jedoch gerade die universale Formulierung des Titels den Besucher:innen die Freiheit, eigene Zugänge zu ergründen. Es ist an einem selbst, zu entscheiden, auf welcher Ebene man der Ausstellung begegnen möchte. Der Titel leitet den Blick, drängt aber keine abschließenden Lesarten oder Kategorisierungen auf. 

Lampenausstellung
30/09 – 04/11/2023

Künstler*innen: Alessandro Agudio, Maximilian Boss, Tobias Buche und Claudia Riedel, Liz Craft, Hugo Dinër, Peles Duo, Laura Franzmann, HULFE, Ilja Karilampi, Shira Lewis, Jonas Lipps, Pentti Monkkonen, Roseline Rannoch, Niclas Riepshoff, Philipp Rupp, wkc, Phillip Zach


DOOM SPA
Lietzenburger Str. 4
13. OG
10789 Berlin