Vive la Peinture? Matisse & Bonnard
Eine Freundschaft wird didaktisch aufbereitet
Städel Museum, Frankfurt
08–01–2018
by Maximilian Wahlich

Henri Matisse, Stillleben mit „Der Tanz“, 1909, Öl auf Leinwand, 89,5 x 117,5 cm,The State Hermitage Museum, Sankt Petersburg © Succession H. Matisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto: Vladimir Terebenin

I.
Sie wollen in so eine richtig schöne Ausstellung mit lauter hübschen Gemälden – eine raumgewordene Illusion von Friedlichkeit, Nettigkeit und Freundschaft? Dann haben wir da was für Sie: Matisse – Bonnard. Es lebe die Malerei!, zurzeit im Städel Museum zu sehen. Dort wird die über 40 Jahre andauernde Freundschaft zwischen Henri Matisse und Pierre Bonnard anhand verschiedener Bildgenres bezeugt und mit beinah rührend pädagogischer Manier illustriert.
II.
Eingeleitet wird die Ausstellung mit einem typischen Einführungstext zu den beiden bedeutenden Vertretern der französischen Moderne, welcher die enge Freundschaft beider Künstler mit Nachdruck betont. Im ersten Raum stehen sich dann Bonnard und Matisse auf Fotografien von Henry Cartier-Bresson aus dem Jahr 1944 gegenüber. Die Ausstellungsräume tragen Titel wie Interieur, Fensterbilder, Stillleben oder Zeichnung. Dabei sind diese Kategorien der Kapitel einerseits verschiedener Qualitäten, überdies scheint die Zuteilung einzelner Werke bei der semipermeable Grenzziehung der Raumthemen immer wieder als vollkommen beliebig.
Damit die Überkreuzungen, Überlappungen und Überschläge der beiden Œvre auch auf keinen Fall von den Besucher_innen selbstständig entdeckt werden, nimmt sie das Museum geflissentlich an die Hand: Pfeile und Positionierung der Wandtexte leiten deutlich von Raum zu Raum. Zu entdecken gibt es nur wenig, viel eher hält der Grundton aller Texte zur gelehrigen Aufmerksamkeit an: Sie charakterisieren die stilistischen Eigenschaften beider Künstler für jedes Kapitel der Ausstellung.

Pierre Bonnard, Liegender Akt auf weißblau kariertem Grund, um 1909, Öl auf Leinwand, 60 x 65 cm, Städel Museum, Frankfurt, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V. © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Problematisch am didaktischen Aufbau ist vor allem, dass sie die Persönlichkeiten beider Künstler mit ihren stilistischen Eigenschaften verquicken. Gewiss werden keine Parallelen konstruiert, aber es spannen sich Analogien, welche gleich zu Anfang der Ausstellung gesetzt werden: Bonnard, der öffentlichkeitsscheue Einsiedler, welcher in den meisten Fällen die kräftigen Farben tupft, so dass Konturen zerspringen. Das Dargestellte scheint flüchtig, schüchtern wie seine Erscheinung auf den Fotografen Cartier-Bressons. Dabei vermochte Bonnard scheinbar alltäglichen Dingen einen Zauber, etwas Traumhaftes zu verleihen. Chapeau, Bonnard! Matisse, hingegen ein extrovertierter Mann großbürgerlichen Stolzes. Im Zentrum eines Selbstportraits im ersten Raum scheint sich sein Selbstbewusstsein im späteren Werk auf seine klarer und plakativer werdende Bildsprache ausgedehnt zu haben. Voilà, Matisse!
III.
An den Texten fällt der didaktische Tonfall auf. Sie geben den Besucher_innen das Handwerkszeug zur weiteren Betrachtung und Identifizierung der Werke mit den Künstlern mit.
Damit sich das Auge der Besuchenden weiterhin gut schulen kann, lässt die Hängung der Werke eben nicht auf den Künstler schließen: Manchmal hängt ein Bonnard neben einem Matisse, dann wieder 3 benachbarte Bonnards und 2 Matisse. Zugutehalten kann man dieser Kuration, dass das starke ineinandergreifen der kreativen Prozesse beider Künstler auch in der Ausstellungsgestaltung fortgesetzt wurde: Die beiden Personen scheinen eins zu werden, die Autorschaft einzelner Motive und Ideen verschwimmt in der traumhaften Vorstellung einer absolut neidlosen und engen, über Jahre währenden Freundschaft. Ach, ist das nicht schön!

Henri Matisse, Großer liegender Akt, 1935, Öl auf Leinwand, 66.4 x 93.3 cm, The Baltimore Museum of Art, The Cone Collection © Succession H. Matisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Foto: Mitro Hood

Indes verleiht diese Hängung aber leider auch zum fröhlichen raten stilistischer Signaturen: „Das ist farbenfroh: Dann bestimmt ein Matisse?“, darauf: „Iwo, seh, der Alltagsgegenstand ist doch so schön gemalt – das ist ein Bonnard.“ Und am End` findet sich wie bei einem Ratespiel die Auflösung auf einem kleinen Täfelchen neben dem Bild.
Genau an diesem Moment wird der Spagat dieser Ausstellung sichtbar: Auf einer Seite steht das (romantische) bemühen einer freundschaftlichen Intimität und kreativen Verbrüderung Ausdruck zu geben, wogegen auf der anderen Seite doch immer eine Trennung bleibt – Matisse und Bonnard sind nicht nur verschiedene Personen, auch ihr Schaffen ist doch strikt voneinander getrennt. Dieses Moment wird immer dort besonders augenscheinlich, wo eine direkte Interaktion der Künstler stattfindet: Mit dem auf Bildschirmen ausgestellten Briefwechsel, wird der vertrauliche Ton zwischen den beiden Freunden deutlich. Die erste erhaltene Postkarte von Matisse an Bonnard aus dem Jahr 1925 mit dem Satz „Vive la Peinture“ diente schließlich auch für den Ausstellungsuntertitel.
Im letzten Drittel der Ausstellung wird in einem Raum auf das Pressebild der Ausstellung eingegangen: Das Gemälde Großer liegender Akt (1935) von Matisse, wurde möglicherweise von Bonnards Liegender Akt auf weißblau kariertem Grund (um 1909) inspiriert. Dass diese zwei Elemente die Identität der Ausstellung bestimmen, macht den löblichen Anspruch der Schau deutlich, die Freundschaft zwischen den beiden berühmten Künstler zu zeigen. Gleichzeitig verwirren die Texte und die Hängung der Werke diesen Versuch und etablieren eine klassisch kunsthistorische Betrachtung nach der über stilistische Eigenschaften die Künstler identifiziert und charakterisiert werden können.
Matisse – Bonnard. Es lebe die Malerei!
13. September – 14. Januar 2018
opening hours
Dienstag bis Sonntag: 10 – 18 Uhr
Donnerstag und Freitag 10 – 21 Uhr
Städel Museum
Am Schaumainkai 63
60596 Frankfurt am Main