Pavilion of Mixed Realities
Frankfurt
20–01–2017
Recommendation by Carina Bukuts

Shirin Mohammad, Rainbow, 2015, video still. Courtesy: the artist

Was trennt Teheran vom Kaspischen Meer? Das Elburs-Gebirge. Was trennt Teheran von Frankfurt? 4.729 km durch fünf verschiedene Länder. Was verbindet Teheran und Frankfurt? Die Berger Straße 88.
Schon oft wurde darüber geschrieben wie die Offspaces in Deutschland sprudeln. Es gibt sogar einen Reiseführer für solche unabhängigen Kunsträume namens spaces, der seit einigen Jahren zu jedem neuen Kalenderjahr die neusten Orte in den Großstädten Deutschlands kürt. Es gibt vermutlich noch keinen Ort, der noch nicht von einer Ausstellung bespielt wurde – von einem Hotelzimmer, einer Apotheke, einem Büro, einem Bunker, einem Botanischen Garten bis zu einer Videothek. Die Kriterien sind fast immer die gleichen: entweder ein Leerstand, der sich als Transformation des White Cubes verstehen lässt oder charakteristische Räume mit denen die ausgestellte Kunst interagieren und site-specific werden soll. Die wenigstens wissen vermutlich wie alt dieses Konzept ist. Bereits 1867 errichtete Édouard Manet eigens einen Pavillon, er dazu bestimmt war, seine eigenen Gemälde temporär auszustellen zu können. Waren seine Bilder stets von dem Salon abgelehnt worden, wurde er aus Not erfinderisch und suchte sich seinen eigenen Weg, um Gemälde wie Olympia (1865) auszustellen, die als Skandalbilder verkannt waren. Inzwischen sind Offspaces ein alter Hut bzw. genauso etabliert wie große Institutionen oder Galerien. Es gehört schon fast zum guten westlichen Ton dazu, in größeren Städten ebenso unabhängige Kunsträume zu halten. Die Schweiz hat sogar eine eigene Website eingerichtet, die alle Offspaces im Land vorstellt.

Morteza Niknahad, South Pole Series, 2016, photograph. Courtesy: the artist

Im Iran kennt man den Offspace nicht. Es gibt eine Vielzahl an Galerien und das tMOCA – Tehran Museum for Contemporary Art zählt zu den bedeutsamsten zeitgenössischen Sammlungen außerhalb Europa und der USA, doch, dass Leerstände genutzt werden, um Kunst auszustellen, wäre hier Neuland. Als Mariam Kamiab für ein halbes Jahr in Teheran wohnte, war sie überrascht von der Dichte an Ausstellungseröffnungen, die dort regelmäßig stattfinden. Fast jeden Freitagnachmittag ging man zu einem Opening. Manchmal waren es sogar mehrere an einem Tag, sodass ein wahres Galerie-Hopping angesagt war, ähnlich dem Gallery-Weekend in Berlin. Als Larissa Scheidt und Laura Wünsche ihre Freundin dort besuchten, entdeckten sie gemeinsam die Kunstszene im Iran und kamen mit Künstlerinnen und Kuratoren und Kuratorinnen ins Gespräch. Manchmal öffnete eine Galerie sogar extra wegen ihnen ihre Türen und sie bekamen eine Privatführung durch die Ausstellung. Am Donnerstag sind es drei Freundinnen, die dieses Mal die Türen öffnen und zu der Ausstellung Mixed Realities einladen. Im Grunde genommen öffnen die Kuratorinnen nicht nur Türen, sondern eine ganze Fassade und zwar die Glasfassade einer alten Videothek in Frankfurt Bornheim. Drei Wochen Renovierungsarbeit stecken in diesen Räumlichkeiten, die in den nächsten zwei Wochen von vier Medienkünstlerinnen aus dem Iran bespielt werden. Ähnlich wie das Glass House von Philipp Johnson, wird man von dem Geschehen, das man von außen beobachten kann, in das Gebäude hineingezogen. Dieses Gefühl steigert sich noch, indem die Ausstellung unter der Woche nur durch die gläserne Fassade rezipierbar wird. Die Transparenz der Räume nutzen die Kuratorinnen aber nicht nur, um Neugierde zu generieren, sondern vor allem, um auf die Wechselwirkung von Innen- und Außenwelt aufmerksam zu machen. Auf unterschiedliche Weise beschäftigen sich die eingeladenen Künstlerinnen mit diesen Verschiebungen und lassen ihre Arbeiten auf die Realität der Berger Straße treffen. Mixed Realities ist in zweierlei Hinsicht eine Einladung, die wir annehmen sollten. Scheidt, Wünsche und Kamiab laden nicht nur die Besucherinnen ein, sich junger iranischer Kunst zu öffnen, sondern ebenso die Künstlerinnen, um sich auf den Offspace einzulassen. Das Vertrauen der Künstlerinnen in die Arbeit der Kuratorinnen hat sich in jedem Fall ausgezahlt und zeigt, dass Teheran und Frankfurt sich näher sind als die 4.729 km vermuten lassen.

Morteza Niknahad, South Pole Series, 2016. Courtesy: the artist

Mixed Realities
20. Januar – 2. Februar 2017
artists
Shirin Mohammad, Siavash Naghshbandi, Morteza Niknahad, Simin Yaghoubi
Ehemalige Tomin Videothek
Berger Straße 88 - 90
60316 Frankfurt